Lernen in geselliger Runde: Dozentin Ulrike Gatz
Angebot
Das Angebot „Gesellige Runde“ fand zu einem (oder zwei) von den Teilnehmer:innen selbst gewählten Thema im Umfang von fünf Unterrichtseinheiten statt. Ein halboffenes Format zeichnet sich durch eine höhere Selbstständigkeit in der Erarbeitung der Themen aus und setzt dabei auch auf den Austausch von Wissen und Erfahrungen der Teilnehmer:innen. Die Dozent:in rückt dabei mehr in den Hintergrund und nimmt dabei verstärkt eine Raum haltende und moderierende Rolle während der Veranstaltung ein. Es sollte dabei eine lockere Atmosphäre und ein interaktives Lernen erzielt werden.
Eine komplette Abweichung vom frontalen Format ließ sich zu Beginn des Projektes und in Abhängigkeit von den Anwesenden allerdings nicht durchsetzen, da die Teilnehmer:innen aus ihren Schulerfahrungen und auch im Erwachsenenleben hauptsächlich frontale Formate erlebt haben und dann mit zu großer Freiheit in der Erarbeitung von Themen oft überfordert waren. Hier gilt es eine Balance aus Anweisungen, die den Rahmen halten und interaktiven Aktionen zu finden. Durch den Austausch untereinander und gut greifbare Beispiele aus dem Alltag wird dies aber gut möglich. Das Ausprobieren der Funktionen mit gelegentlicher Hilfestellung durch die Dozentin war hier unabdingbar.
Altersstruktur der Teilnehmenden
Die Altersstruktur der Teilnehmenden variierte zwischen Teilnehmenden im Alter von 60 Jahren bis hin zu Teilnehmenden in ihren 80ern. Je nach Altersstruktur muss die Dozentin besonders auf die individuellen und altersbedingten Bedürfnisse der Teilnehmenden eingehen.
Die genaue Altersstruktur in den Kursen gestaltete sich wie folgt:
Von insgesamt 23 Teilnehmer:innen waren 30,4% in der Altersgruppe von 60 bis 70 Jahren, 39,2% waren in der Altersgruppe 70 bis 80 Jahre und 30,4 % waren 80 Jahre und älter.
Von 60 bis Mitte 70 ist kein großer Unterschied in der Aufnahmefähigkeit und Akzeptanz neuer Lerninhalte zu erkennen. Ab 80 sollte ein besonders zugewandter Lehrstil gewählt werden, der mögliche individuelle Einschränkungen berücksichtigt.
Den “jüngeren Älteren” fallen verhältnismäßig lockere Formate mit erhöhter Eigenständigkeit und Interaktion etwas leichter. Für die “älteren Älteren” bietet ein Format aus frontalem Vortrag und praktischem Üben im Wechsel die notwendige Vertrautheit.
Nicht nur das Alter beeinflusst den Lernerfolg, nur in außerordentlich seltenen Fällen sind starke geistige Einschränkungen zu beobachten. Vielmehr sind individuelle Eigenschaften wie der Grad an Offenheit und der Glaube an sich selbst sowie die eigenen Fähigkeiten, etwas Neues zu lernen, ausschlaggebend. Diese Eigenschaften sind wertvolle Ressourcen, auf die die Senior:innen zurückgreifen.
Auch in der Offenheit für smarte Geräte und Funktionen war kein wesentlicher Unterschied in den Altersgruppen zu erkennen. Vielmehr ist die Art des smarten Geräts oder der smarten Funktion entscheidend und der eigene darin wahrgenommene Nutzwert. Beispielsweise ist für fast alle Senior:innen der Bildschirm einer Smart Watch zu klein, aber für eine im Vergleich einfach zu bedienende Bluetooth-Box lassen sich viele musikinteressierte Senior:innen begeistern.
Technische Gegebenheiten
Die technischen Gegebenheiten am Lernortplus können eine besondere Herausforderung darstellen und verlangen Anpassungsfähigkeit vom Lehrpersonal. Jeder neue Lernort muss auf seine technischen Gegebenheiten hin geprüft werden.
Auch bei „lockeren“ Formaten, wie der geselligen Runde, müssen die technischen Gegebenheiten am Veranstaltungsort geklärt sein. Durch die Kürze des Format muss das hier vorab bekannt und für die Durchführung berücksichtigt werden, weil im Rahmen der auf ein bis zwei Termine aufgeteilten Zeit keine großen Anpassungsmöglichkeiten bestehen.
An manchen Lernorten sind nicht einmal grundlegende Voraussetzungen für eine Arbeit am Android Smartphone und dem Internet gegeben, so z.B in einer Begegnungsstätte, die über keinen WLAN-Router verfügt, was für die Anwendung der meisten smarten Technik ein Nachteil ist. Zwar ist es möglich, solche Voraussetzungen auszugleichen, z.B. mit Hilfe eines zur Verfügung gestellten Hotspots, dennoch können solche grundlegenden Mankos eine starke Einschränkung in der Durchführung darstellen.
Voraussetzungen wie zum Beispiel eine Dokumentenkamera oder ein Beamer oder ein interaktives Whiteboard stehen in halboffenen Formaten zwar weniger im Vordergrund, dennoch ist eine Arbeit mit stark eingeschränkten Möglichkeiten zur Visualisierung herausfordernd, da ein Mindestmaß an Erklärungen auch in diesem Format nicht ausbleibt.
An manchen Orten fand sich aber eine komplette technische Ausstattung, die mindestens WLAN Zugang als auch einen Beamer oder einen großen Bildschirm beinhaltete. In der Durchführung der beim Träger in der Erwachsenenbildung etablierten Kurse hat sich jedoch eine Dokumentenkamera bewährt, da hier direkt am Gerät vorgeführt werden kann, und diese ist gewöhnlich nicht an besonderen Lernorten zu finden. Auch in halboffenen Formaten ist dies relevant: Die Dozent:in führt auch hier gelegentlich und nach Bedarf Erklärungen am Gerät durch, genauso präsentieren auch die Senior:innen selbst die Bedienung, zum Beispiel während einer gemeinschaftlichen Erarbeitung im Rahmen einer Gruppenarbeit.
Als Mindestmaß für die Durchführung an besonderen Lernorten hat es sich bewährt, Vorführgeräte zur Verfügung zu stellen, an denen die Dozent:innen die verschiedenen Funktionen der Geräte vorstellen können. Doch auch dies ist eine Herausforderung, denn die verschiedenen Funktionen sind in einem bestimmten Abstand für die älteren Teilnehmer:innen nicht gut zu sehen. Gerade bei einer Gruppengröße, die über fünf Teilnehmer:innen hinausgeht, kann die Lehrperson nicht an jeder Teilnehmer:in nahe genug stehen, so dass alle gleich gut sehen können, was vorgeführt wird.
Zur Lernumgebung
Nicht jede besuchte Lernumgebung war gleich, was ihre vertraute Atmosphäre angeht. Gemeindesäle z.B sind selten Orte, an denen man bereits bekannte Personen aus seinem Umfeld antrifft. Aber auch hier ist es nicht ausgeschlossen. Seniorenbegegnungsstätten sind häufiger Orte, an denen Menschen zusammenkommen, die sich schon kennen. Meiner Einschätzung nach bietet dies jedoch keinen besonderen Vorteil beim Aufnehmen der Lerninhalte. Auch Kurszusammensetzungen, bei denen sich die Teilnehmer:innen bisher noch nicht kannten, bieten ein Lernumfeld der gegenseitigen Unterstützung – bisher nicht geformte persönliche Bekanntschaften werden durch das gemeinsame Lernziel kompensiert.
In einigen Lernumgebungen überwiegen unter anderem gesellige Veranstaltungen das sonstige Programm. Besonders vertraute Kontakte in einer besonders vertrauten Umgebung können somit einen Nachteil für die Vermittlung von Lerninhalten darstellen, da hier Verhaltensmuster aus den anderweitigen Veranstaltungen greifen und der persönliche Austausch in den Vordergrund rückt. Das kann es erschweren, eine Lernatmosphäre für alle Teilnehmer:innen herzustellen.
Der besondere Lernort senkt dennoch die Hemmschwelle an einem solchen Kurs teilzunehmen, vor allem, wie in den Evaluationen offensichtlich wurde, durch die erhöhte Wohnortnähe, was vor allem für Senior:Innen, die nicht mehr mit dem Auto fahren oder keine größeren Strecken zurücklegen, von Vorteil ist. Besonders Senior:innen, die sonst nicht an Weiterbildungsangeboten teilnehmen, können hiermit besser erreicht werden. Auch der eher symbolische Beitrag für die Kursteilnahme von 10 €, der durch die Förderung möglich wurde, verringerte die Hemmschwelle zur Teilnahme extrem.
Ermittlung des Wissensstandes
Für die Teilnahme an der geselligen Runde wurden Grundkenntnisse vorausgesetzt, die vorher abgefragt wurden oder in vorherigen Veranstaltungen aufgebaut wurden. Anhand der gewählten Themen war klar, dass in diesen Bereichen sowohl ausbaufähiges Potential als auch Interesse vorhanden ist. Daher wurde für die gewählten Themen keine gesonderte Ermittlung des Wissensstandes vorgenommen, was in der Kürze der Zeit auch kaum sinnvoll gewesen wäre.
Erwartungen
Die Teilnehmer:innen erwarteten je nach bisherigem Kenntnisstand und Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten, mit den gewählten Themen besser vertraut zu werden und sich die Anwendung der Funktionen aneignen zu können.
Einige Teilnehmende hatten sehr genaue Fragen, die dann individuell beantwortet wurden. Genauso gab es Teilnehmer:innen, die sich über einen allgemeinen Wissenszuwachs freuten und sich offen auf die Themen einließen. Eine solche Mischung erleichtert die Durchführung, da durch die Fragen einerseits Dynamik in das Format kommt und durch die allgemein Interessierten nicht nur konkurrierende Einzelinteressen behandelt werden.
Im Format „gesellige Runde“ wurde weiterhin erwartet, bei der Übung am Gerät praktische Hilfestellung durch die Dozent:in zu erhalten.
IT näher bringen durch systematisches Lernen
Im Lernformat “gesellige Runde” wurde auf Grundkenntnisse zurückgegriffen, wodurch die Erarbeitung der speziell gewählten Themen im Generellen etwas einfacher war. Allgemein sind die Teilnehmer:innen immer wieder begeistert über die vielen Funktionen Ihres Smartphones. Diese in lockerer Atmosphäre entdecken zu können, war für die meisten ein deutlicher Zugewinn. Durch die eigene Wahl des Themas war die Offenheit höher und Ängste und Bedenken weniger vordergründig.
Auch in diesem Format war eine strukturierte Herangehensweise unerlässlich, die den Teilnehmer:innen Halt und Orientierung in den Themen gab.
Inhalte
Als Spezialthemen wurden vermehrt gewählt:
• Internetrecherche
• der Umgang mit Medien (Fotos, Musik, Videos)
• die Navigation mit dem Smartphone
• das Heraussuchen von Abfahrtszeiten im Öffentlichen Nahverkehr
• online Einkaufen war für einzelne Teilnehmer:innen interessant – dieses Thema lässt sich jedoch eher nur theoretisch und nicht praktisch im Unterricht durchführen, da hier stark auf den Datenschutz geachtet werden muss und viele Websites ein aktives Benutzerkonto verlangen, um im Warenkorb zu navigieren. Auch die Bezahlplattform “PayPal” kann ohne ein aktives Benutzerkonto nicht gezeigt werden. Websites mit Angeboten zu finden ist für die Teilnehmer:innen weniger relevant und konnte, wenn dann, im Themenbereich “Internetrecherche ” besprochen werden. Daher waren die Methoden hier eher eine klassische Präsentation, Vorführung und Diskussion, statt einem begleiteten Ausprobieren.
Auch wenn Grundkenntnisse für dieses Format vorausgesetzt wurden, bleibt es auch hier nicht aus, kleine Aspekte aus dem Basiswissen immer wieder zu wiederholen. Die besondere Leistung ist es hier, das Vermittelte direkt in die Anwendung zu bringen, um Inhalte miteinander zu verknüpfen. So kann wiederholt und im Stoff vorangegangen werden.
Weitere Hinweise
An anderen Lernorten kann die Organisation über Dritte, die hier zwangsläufig eingebunden sind, eine Herausforderung darstellen. Das kann rein organisatorische Belange, wie die Raum- und Zeitplanung betreffen, aber auch die Werbung, die dann nicht mehr in den Händen der eigenen Institution liegt.
Ein klassischer „Fehler“ ist, dass in der Außenkommunikation für die Teilnehmer:innen nicht klar wird, dass sich der Kurs ausschließlich an Android-Nutzer wendet. Jeweils beide Varianten zu zeigen kann zu großer Verwirrung führen, die nicht hilfreich ist; im besten Fall sind die IPhone-Nutzenden in der Unterzahl und verstehen, dass ihr Handy die „Ausnahme“ ist und warten dann jeweils ihr Gerät individuell gezeigt zu bekommen, während die anderen üben.
Weiterhin kann die Abgrenzung zwischen den angebotenen Formaten „kursförmige Veranstaltung“ und „gesellige Runde“ in der Werbung gegenüber den Senior:innen unklar sein. Hier ist besonderer Aufwand zu betreiben, damit das für die Teilnehmer:innen kein zu überraschender „Sprung ins kalte Wasser“ ist und die Erwartungen so klar wie möglich sein können. Da viele Senior:innen nie halboffene Bildungsformate in ihrer Kindheit, Jugend und Erwachsenenzeit erlebt haben, kann das zu Verwirrung führen, die am besten vermieden und wenn sie entsteht, aufgefangen werden muss.
Auch die frühzeitige Öffnung der jeweiligen Räume kann eine Herausforderung sein: Im Fall eines Gemeindesaals beispielsweise musste eine Pufferzeit vor dem Beginn des Kurses eingefügt werden, sodass ein nahtloses und angenehmes Ankommen möglich wurde. Wenn ein Rathaus wirklich erst Punkt 9 Uhr aufmacht, aber der Kurs zu dieser Zeit beginnen soll, stehen die (oft überpünktlichen!) Senior:innen eine viertel bis eine halbe Stunde vor verschlossener Tür – schlechtestenfalls in der Kälte. Hier empfehle ich anderen Dozent:innen entsprechende Pufferzeiten von circa einer halben Stunde einzuplanen, sodass niemand vor verschlossener Tür warten muss und man als Lehrkraft notfalls noch jemanden suchen kann, der über einen Schlüssel verfügt.
Evaluation in der Praxis
Auch in der geselligen Runde wurden alle abgefragten Kriterien von den Teilnehmer:innen im Bereich gut bis sehr gut bewertet, abgesehen von der Frage „Konnten Sie die Anforderungen an den Geräten bewältigen?“. Diese wurde im Spektrum von sehr gut bis befriedigend beantwortet, und damit im Schnitt etwas schlechter als die Kriterien, die die Veranstaltung betreffen. Es wurde auch von den Teilnehmerinnen darauf hingewiesen, dass diese Frage ja sie selbst beträfe.
Im qualitativen Teil der Befragung wurde wiederholt angegeben, dass es besonders gefallen hätte, wie verständlich die Erklärungen waren und dass auf individuelle Probleme eingegangen wurde.
An Verbesserungsvorschlägen war eine häufige Äußerung war auch hier, dass weitere Kurse zur Auffrischung oder Stammtische für Smartphone-Angelegenheiten angeboten werden sollten und dass es weitere Kurse in Wohnortnähe geben sollte.
Evaluationsunterlagen
Erstellt von
Ulrike Gatz
Stand: 11. April 2024