Lernen in der Häuslichkeit: Dozentin Sarah Holzgreve

Angebot

Das Format umfasst eine Reihe von 5 Besuchen á 90 Minuten in der Häuslichkeit, mit einem Rhythmus von etwa einmal in der Woche, bei eingeschränkten Senior:innen im Alter von 80 bis 90. Anfangsbedingung ist das Interesse, bestehende Kenntnisse an Smartphone, Senioren-Handy oder Tablet zu vertiefen oder weitere smarte Geräte kennenzulernen. Die spezifischen Inhalte richten sich dabei weitestgehend an den Interessen und Bedürfnissen der jeweiligen Teilnehmenden aus. Persönliche Anliegen und Einschränkungen können in der Häuslichkeit auf besondere Weise berücksichtigt werden.

Smartphone bzw. Tablet bieten den Teilnehmenden einen naheliegenden Einstieg in das gemeinsame Kennenlernen smarter Geräte. Insgesamt ist das Angebot eine „Arbeit an der Beziehung“ zu smarten Geräten. Es erleichtert es den Teilnehmenden, sich den Möglichkeiten smarter Geräte als Alltagshelfer anzunähern oder sich gar anzufreunden. Im Projektzeitraum konnten insbesondere folgende smarte Geräte erfolgreich vorgestellt werden:

Eine ausgedruckte Liste der verfügbaren smarten Vorführgeräte, auf die man gemeinsam schauen kann, hilft, einen guten Einstieg in dieses Thema zu finden und eine kleine Auswahl an Vorführgeräten zu treffen.

Altersstruktur der Teilnehmenden

Die Altersspanne der Teilnehmenden in der Häuslichkeit lag zwischen 80 und 90 Jahren. Grad und Art der Beeinträchtigungen unterscheiden sich sehr. So ist vielleicht eine schon betagte Teilnehmende sehr an den Rollator gebunden und kaum mehr mobil, geistig aber sehr klar und kann auf Jahrzehnte von Erfahrung mit PC, Handy und Smartphone zurückgreifen.

Andere Teilnehmende sind nicht so offensichtlich eingeschränkt, haben aber bisher im Leben kaum Erfahrung mit digitalen Geräten gesammelt. Sie tasten sich mit einem Seniorenhandy, Smartphone oder Tablet langsam und zögerlich an das Bedienen und Verstehen digitaler Oberflächen heran, staunen immer wieder über die überwältigende Fülle an Möglichkeiten und tun sich sehr schwer damit, die Orientierung zu behalten oder Schritte später zu wiederholen. („Wo bin ich denn jetzt wieder gelandet? Huch! Also wie war das jetzt?“)

Oft wurden in diesen Fällen die vorhandenen Geräte von eigenen Kindern oder Enkeln angeschafft und eingerichtet, aber die Bedienung kaum oder nur sehr schnell gezeigt. „Dann ist das ein Zack zack zack, und ich versteh´ nur Bahnhof.“ Beide jetzt erwähnten Gruppen an Teilnehmenden, die mobil sehr Eingeschränkten und auch die technisch Abgehängten, zeigten sich sehr dankbar für die Besuche in der Häuslichkeit und äußerten einen großen Bedarf nach solchen und ähnlichen Formaten.

Technische Gegebenheiten

Technische Gegebenheiten, insbesondere fehlendes WLAN, können das Lernen in der Häuslichkeit sichtlich erschweren. In einem Fall war es nur schwach vorhanden und eine technische Lösung herausfordernd (Betreutes Wohnen: „Dann setz ich mich halt kurz in den Speisesaal, aber es wäre ja schon schön, wenn das nicht nötig wäre…“), in einem anderen Fall musste der neu angeschaffte Router wegen eines Werkfehlers zurückgesetzt werden und war erst zur Mitte der Treffen funktionsfähig. In diesen Fällen heißt es, einen konstruktiven Umgang zu finden, zu probieren, was mit der eigenen Erfahrung kurzfristig möglich ist, und das Lösen eines hartnäckigen WLAN-Problems Fachleuten (Verkaufsstelle Mediamarkt, Betreiber-Firma) oder Angehörigen zu überlassen, denn allein hierfür kann viel Zeit aufgewendet werden.

Bis das WLAN dann funktioniert, lassen sich viele Anwendungen und auch smarte Geräte über die mobilen Daten vorführen, ggf. über ein Projekt-Smartphone. Was WLAN ist und wie es funktioniert, war für die Hälfte der Senior*innen ein eigenes Thema, das es zu behandeln galt.

Ermittlung des Wissensstandes

Der erste Besuch zeigt i.d.R. rasch, wie geübt die Senior:in im Umgang mit dem Gerät ist. Insbesondere die Haptik, also wie gut das erste gemeinsame Anschalten, Freischalten, Halten, Wischen und Tippen funktioniert, sagt viel aus. Hier lassen sich mit Geduld, Üben und schönen Analogien, etwa wie bei einer Handarbeit oder beim Klavierspielen, z.T. schnell Fortschritte erzielen. Die Anzahl der früher besuchten Kurse allein ist wenig aussagekräftig, aber häufig sind diejenigen, die schon einen oder mehrere Kurse besucht haben, auch erfahrener. Selbst- und Fremdeinschätzung stimmten weitestgehend überein. Es gab jedoch eine Tendenz, eigene Fähigkeiten und die eigene Konzentrationsfähigkeit für schlechter zu halten als sie sich dann erwiesen.

Erwartungen

  • Hilfe beim Erschließen und Einrichten eines schon angeschafften neuen Gerätes wie einem Tablet, insbesondere zur Übertragung und Nutzung von WhatsApp und Internet mit größeren Bildschirmen als auf dem Smartphone, um Bilder oder Texte größer sehen zu können.
  • Vertiefen und Erweitern von vorhandenen Kenntnissen mit einem bereits etwas vertrauten Gerät (Samsung Smartphone, Euphoria Senioren-Smartphone, Tablet)
  • dabei Beistand und Rat bei vielen „aufgestauten“ kleinen Fragen, etwa: Anpassen von Bildschirm-Time-Out und Bildschirmsperre, Erstellen und Löschen von Startbildschirm-Links, Fotos, Videos und Whats-App-Nachrichten, Auflegen bei Videotelefonie, Umgang mit QR-Codes, Deinstallieren von Apps, Zugriff auf die vorhandene SD-Karte oder ausreichend Speicherplatz.
  • technische Fragen aus dem Haushalt traten als Mittel zum Ziel auf: WLAN funktioniert nicht, kleines Computer-Problem das sich beim Übertragen von Fotos zeigt, z.B. mit Push-Nachrichten.
  • Smarte Haushalts- und Alltagshelfer wurden kaum von selbst angesprochen. Mit Blick auf die Liste smarter Geräte (im Projekt ausgewählte smarte Geräte) gab es dann doch oft ein, zwei Geräte, für die Interesse vorhanden war.

Die tieferliegende Erwartung scheint insgesamt zu sein, Beistand mit der „herausfordernden“ Technik und all ihren Möglichkeiten zu erfahren und am Ende der Besuche wieder besser allein zurechtzukommen.

IT näher bringen

Auch bei sehr zurückhaltenden Senior:innen mit bisher sehr eingeschränkter Nutzung des Smartphones wächst die Neugier und Offenheit gegenüber neuen Möglichkeiten im Laufe der Besuche.

Immer wieder gibt es Momente großen Staunens über ungeahnte neue Möglichkeiten. Es erfordert Feingefühl, abzuschätzen, wie viel Neues der jeweiligen Person pro Besuch zugemutet werden kann, und in welchem Tempo, ohne heillos zu überfordern. Es hat sich für mich als hilfreich erwiesen, immer vom Interesse der Teilnehmenden auszugehen. Nur beiläufig ein-, zweimal pro Besuch weitere Vertiefungsmöglichkeiten aufzuzeigen, auf die wir dann auch nur bei bestehendem Interesse eingehen.

Bei dieser Vorgehensweise ist es mir besonders wichtig, bei aufkommenden Zwischenfragen für einen „ruhigen, geordneten Ablauf“ der einzelnen Inhalte zu sorgen und gut auf Anzeichen von Ermüdung der Senior:in zu achten. Ansonsten heißt es: „Jetzt schwirrt mir aber der Kopf, ob ich das alles behalten kann!“ Dann ist es Zeit für ein Päuschen, einen Schluck aus der Kaffeetasse, eine wertschätzende ruhige Zusammenfassung durch die Dozent:in oder ein kleines Randgespräch.

IT näher zu bringen ist in der Häuslichkeit stärker als anderswo mit persönlichem Austausch, und auch mit einfachem Zuhören seitens der Dozent:in, durchzogen und zu einem gewissen Grad ist das nach meiner Einschätzung auch wichtig und hilfreich. So ist das gemeinsame Lernen auch eine soziale Erfahrung.

Inhalte

Zusammengefasst lassen sich folgende Schwerpunkte aus den Besuchen benennen:

  • Handy- und Tablet Aufbau, Tasten, Bedienung, lauter-leiser, An/Aus
  • WhatsApp: Bedienung, Korrigieren, Spracheingabe und Sprachnachrichten, Bilder versenden, selbstlöschende Nachrichten für Speicherplatz, Sprachnachrichten und Videoanrufe
  • Bilder und Galerie: verstehen und verwenden
  • einfache Internet-Suchen, auch mit Spracheingabe

Diese Anliegen lagen oft oben auf. Nur mit einer Grundzufriedenheit mit diesen Themen oder einer echten Neugier, so meine Erfahrung, lassen sich zusätzliche smarte Lösungen erfolgversprechend vorstellen.

Smarte Technik im Einsatz

Folgende Geräte konnten bisher erfolgreich vorgeführt werden:

Eine Liste der Vorführgeräte auszuhändigen – zu Beginn oder gegen Mitte der Treffen – hat sich als sehr hilfreich erwiesen. Bei weiteren Treffen können dann bedarfsweise Geräte vorgeführt und ausprobiert werden. Eine andere Möglichkeit ist es, ein kleines Gerät auf Verdacht mitzubringen und feierlich zu präsentieren: „Ich hab ihnen heute etwas schönes mitgebracht: Einen Drink-Timer, den probieren wir jetzt einfach mal gemeinsam aus!“ Mit diesem Aufhänger lässt sich mithilfe der Liste gut ein Gespräch über weitere smarte Geräte eröffnen und eine eingangs geäußerte Ablehnung gegen alles Smarte spielerisch überwinden.

Beispiele

Kleiner Helfer: der Drinktimer ist wunderbar mit einer Smartphone-Beratung kombinierbar – einfach ein Wasserglas darauf stellen und sich über das Signal nach 15 Minuten freuen, bedacht einen Schluck trinken, wieder draufstellen.

“Ja, das wär was. Den soll mein Sohn mir bestellen, das macht er immer gerne!” – “Dann machen wir doch gleich ein Foto von der Hülle, dann weiß er, was er bestellen darf.”

Smart Heizen mit dem Homematic IP Heiz-System, bestehend aus Access Point,  smarten Thermostaten und zugehöriger App, kann aus zwei Gründen für Senior:innen interessant sein:

  • Energiesparen durch optimierte Anpassung an Bedürfnisse, kein vergessenes Runterregeln im warmen Bad mehr.
  • Knöpfe, die aufgrund körperlicher Einschränkungen nicht mehr erreichbar sind, können wieder bedient werden – So etwa das Bad-Heizthermostat knapp über dem Boden.

Der Access Point, ein kleiner weißer Würfel, wird an den Router und Strom angeschlossen und kann dann mit beliebiger Technik aus dem Homematic IP Smart Home System gekoppelt werden, etwa mit den smarten Heizkörperthermostaten oder einer Überwachungskamera. Die Steuerung erfolgt über die Homematic IP App.

Im Hausbesuch gezeigt werden können hier also nur die nicht angeschlossenen Geräte und die Homematic App mit beispielhaften Temperaturprofilen etwa für Bad und Wohnzimmer. Nach erfolgreicher Beschaffung seitens der Senior:in und Montage durch einen Heizungsfachmann/ Hausmeister ist ein Einrichten und Anpassen der App durch Angehörige oder die Dozent:in erforderlich. Dafür benötigt man, macht man es mit dem Teilnehmenden gemeinsam, eine halbe bis eine Stunde Zeit.

VR-Brille Meta Quest 2

Im Vorfeld, beim Sichten der Möglichkeiten, sagte eine Teilnehmende: „Ja, diese Brille würde ich doch gerne ausprobieren, nur um das mal erlebt zu haben!“ Dann kam der nächste Besuch, und es war so weit. Einmal die Funktionsweise erklären, einschalten, für einen guten, sicheren Sitz der Brille und sicheren Sitz der Teilnehmenden auf dem Sofa sorgen, und dann ging es los.

Die Teilnehmende fand sich beim Aufsetzen der Brille direkt in der voreingestellten sehr ästhetischen Umgebung „Desert Terrace“. Keine schnellen Bewegungen oder Veränderungen, lediglich sanftes Schaukeln eines Hängesessels im Wind oder leichte Bewegung der Palmblätter. Beim Drehen des Kopfes zur Seite nach oben oder unten werden realitätsnah neue Blickwinkel sichtbar.

Oh, also das ist ja unglaublich… Diese Palmen… und da über mir, ach, das ist ja was!…Und da bewegt sich was im Wind…Diese Weite… das hätte ich ja nicht gedacht, also wenn ich jünger wäre… Ach….So, jetzt ist aber auch genug!“

Dann schmerzen bereits die Augen von der ungewohnten Sicht. An den Reaktionen auf eine derart ruhige virtuelle Umgebung zeigt sich behutsam, wie weit die Teilnehmenden in diese Welt eintauchen möchten, ob Lust auf ein kleines ruhiges 360-Grad Video entsprechend dem Interessengebiet vorhanden ist oder das zu viel wäre. In diesem Fall war die Erfahrung nach 5 Minuten gut ausgekostet.

Abschlussgespräche

  • ein zusammenfassender Rückblick, ggf. Wiederholungen und aufgekommene neue Fragen
  • teilweise Aushändigen einer anschaulichen Zusammenfassung der behandelten Themen (vor allem bei Senior:innen mit wenig Erfahrungshintergrund)
  • Auswertungsbogen mit Feedback-Gespräch
  • Verweisen auf weiterführende Hilfsangebote: Samsung-Help-Desk im lokalen Medien-Laden, Kurse der Akademie 2. Lebenshälfte, vertiefende Angebote zur smarten Technik, Angebot kleiner Hilfestellungen per Whatsapp-Sprachnachricht auch nach Ende der Besuche (Wurde nur sehr dezent und wertschätzend genutzt.)
  • Wiederholt gab es den Wunsch, auch einen „Einzelbesuch bei Bedarf“ anfragen zu können.

 

Weitere Hinweise

Der rote Faden und  empathische Randgespräche

Das gemeinsame Anschauen von WhatsApp Videos oder Familienfotos gehört genauso zum Lernen dazu wie Ausflüge in die Biografie der Teilnehmenden. Das erfordert immer wieder einmal sanftes Zurücklenken zum Gerät. Beides hilft aber den Teilnehmenden, die Lernerfahrungen zu vertiefen und sich zwischendurch von technischen An- oder Überforderungen zu erholen.

Die smarte Dozent:in

Ich empfehle, sich unbedingt mit genug Ruhe und zeitlichem Vorlauf in die Vorführgeräte und Anwendungen einzuarbeiten für die Interesse besteht, ehe die Geräte mitgenommen werden. Das Gerät sichten und verstehen, eventuell die Kopplung mit einem zweiten Gerät erproben, benötigte Apps auf dem Smartphone/Tablet der Einrichtung vorzuinstallieren und vor Anwendung ggf. noch einmal die Menüs zu vergegenwärtigen benötigt seine Zeit. Insbesondere bei komplexeren Geräten wie Heizkörperthermosthat und VR-Brille (siehe Blog

Evaluation in der Praxis

Alle Senior:innen waren sehr dankbar und zufrieden über die Möglichkeit, über den Zeitraum von 1-2 Monaten so viel über ihr Gerät zu lernen und ihm deutlich näher kommen zu können – und das, ohne die eigene Wohnung verlassen zu müssen. Viele nannten die “zugewandte Art” des Begleiteten Lernens als das, was ihnen besonders gut gefallen habe.

Alle Kriterien des Evaluationsbogens wurden durchweg sehr positiv bewertet. Nur die Frage, wie weit es möglich war, die technischen Herausforderungen zu meistern, wurde von allen als noch gut bis mittelmäßig eingeschätzt. “Das liegt ja an mir!”, sagten viele dann, oder eben an der Komplexität des Gerätes.

Weitere Hinweise der Teilnehmenden waren:

  • Der Wunsch nach regionalen, frei zugänglichen Stammtischen für smarte Geräte und Smartphone-Fragen
  • Lust ist geweckt, jetzt noch mehr zu lernen
  • Mehr solche Angebote!

Evaluationsunterlagen

Erstellt von
Stand: 23. März 2024

 

Besuche in der Häuslichkeit oder in betreuten Einrichtungen durch unsere Dozent:innen

Persönliches Fazit

  • Mit sanfter Hand zur Smarten Technik: Mit einer Liste zum Draufschauen und einem kleinen, einfachen Gerät wie dem Drinktimer. Interesse und Bedarf ausfindig machen, entsprechend weitere Technik mitbringen, vorführen und gemeinsam Staunen.
  • Geduld, Freundlichkeit, leicht verständliche Sprache und ein flexibler roter Faden sind das A und O!
  • 10 Unterrichtseinheiten á 45 min sind schon sehr hilfreich, um ein wenig an die technischen Möglichkeiten Anschluss finden zu können, aber der Bedarf nach langfristiger technischer und Unterstützung mit geduldigen Ansprechpartnern ist groß.
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